Patentrecht: Künstliche Intelligenz (KI) und Patente

Der Begriff künstliche Intelligenz (KI) beschreibt computerimplementierte Ansätze menschliche Entscheidungsstrukturen nachzubilden, um Computer und Maschinen zu befähigen, Problemstellungen weitgehend eigenständig zu bearbeiten und zu lösen.

Was ist Künstliche Intelligenz (KI)?

Der Begriff künstliche Intelligenz (KI) beschreibt computerimplementierte Ansätze menschliche Entscheidungsstrukturen nachzubilden, um Computer und Maschinen zu befähigen, Problemstellungen weitgehend eigenständig zu bearbeiten und zu lösen. Ein wesentliches Hilfsmittel dafür, zu eigenständigen Lösungen gelangen zu können, ist die Fähigkeit eines KI-Systems zu lernen. Diese Fähigkeit wird als maschinelles Lernen bezeichnet. Dabei lernt das KI-System anhand von Beispielen, um diese vorgegebenen Muster nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern zu können. Dazu bauen Algorithmen des KI-Systems im Zuge des maschinellen Lernens ein statistisches Modell auf, welches auf Trainingsdaten beruht und beispielsweise gegenüber Testdaten überprüft werden kann.


Warum ist Künstliche Intelligenz (KI) wichtig?

Geforscht wird auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz bereits seit vielen Jahrzehnten. Einen entscheidenden Schub hat die praktische Anwendung von KI-Systemen in den letzten Jahren mit der breiten Verfügbarkeit leistungsfähiger Computer erhalten, die ermöglichen rechenaufwendige Lern- und Trainingsverfahren effektiv durchzuführen. Zugleich ist in den vergangenen Jahren der Umfang der erfassten Datenmengen in nahezu allen Bereichen von Technik und Gesellschaft enorm angewachsen, wodurch der Bedarf an automatisierten Methoden zur Auswertung dieser umfangreichen Datenmengen deutlich zugenommen hat. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Künstliche Intelligenz heute als eine der Schlüsseltechnologien der Digitalisierung angesehen wird.


Wo wird Künstliche Intelligenz (KI) bereits verwendet?

KI kommt heutzutage bereits in fast allen Bereichen der Wissenschaft und der Industrie zum Einsatz. Beispielsweise findet Künstliche Intelligenz Anwendung im Bereich des Datenmanagements von der Produktion von Daten bis hin zur Ausführungsrückmeldung, sowie im Bereich von Benutzerschnittstellen, beispielsweise der Sprach- und Gesichtserkennung. Ferner wird KI immer häufiger im Kontext der vierten industriellen Revolution genutzt, etwa bei smarten Konsumgütern, smarter Gesundheit, smarten Fabriken, smarter Landwirtschaft oder selbstfahrenden Fahrzeugen. Im Bereich der industriellen Produktion können Fabriken KI-gestützt mithilfe automatisierter vorausschauender Instandhaltung, der Datenanalyse, Prozessgestaltung und Fehlererkennung effizienter arbeiten und konstant qualitativ hochwertige Produkte hervorbringen.


ChatGPT – Ein Prototyp eines auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhenden Chatbots

Viel Aufmerksamkeit hat beispielsweise ChatGPT, ein aktueller Prototyp eines auf KI beruhenden Chatbots, auf sich gezogen, der von dem US-amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelt wurde. Bei einem solchen Chatbot handelt es sich um eine Anwendung, welche KI dazu einsetzt, sich mit Menschen in natürlicher Sprache zu unterhalten. Benutzer können dem System Fragen stellen, auf welche das System in natürlicher Sprache antwortet.

Allgemein gilt, je komplexer ein System ist, desto effektiver wird eine Anwendung einer KI im Vergleich zu analytischen Ansätzen sein.

Ein weiterer Vorteil einer Künstlichen Intelligenz ist, dass repräsentative Trainingsdaten für eine Anwendung der KI auf ein komplexes System ausreichend sein können und keine vollständige präzise analytische Beschreibung des entsprechenden Systems benötigt wird.


Ist Künstliche Intelligenz (KI) patentierbar?

Ja, Erfindungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens sind dem Patentschutz zugänglich. Es müssen jedoch einige Rahmenbedingungen für eine Patenterteilung im Bereich der Künstlichen Intelligenz erfüllt sein.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen basieren nämlich auf Rechenmodellen und Algorithmen, wie etwa zur Klassifizierung, Bündelung, Regression und/oder Dimensionalitätsreduktion, welche an sich abstrakter mathematischer Natur sind. Algorithmen der Künstlichen Intelligenz werden in Europa im Allgemeinen als „per se" abstrakter Natur und daher nicht als technisch angesehen.

Bei Erfindungen, welche solche mathematischen Methoden umfassen, die in Software realisiert sind, handelt es sich um „computerimplementierte Erfindungen“. Eine computerimplementierte Erfindung ist eine Erfindung, die Computer, Computernetze oder andere programmierbare Vorrichtungen beinhaltet, und bei der mindestens ein Merkmal durch ein Programm realisiert wird. 

Damit eine computerimplementierte Erfindung und insbesondere eine Erfindung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens patentfähig wird, muss sie einen technischen Charakter aufweisen, d.h. sie muss einen technischen Beitrag zur Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln leisten.


Wie ist Künstliche Intelligenz (KI) patentierbar?

Ein die Patentfähigkeit begründender technischer Beitrag kann etwa in einer technisch vorteilhaften Form der Implementierung des KI-Systems, in einem technisch vorteilhaften Ansatz zum Trainieren/Lernen des KI-Systems und/oder in einer Verwendung des KI-Systems als Werkzeug zum Erreichen eines technischen Zwecks liegen.

Eine technisch vorteilhafte Implementierung des KI-Systems bzw. ein spezielles KI-Design kann beispielsweise durch das technische Design des Computersystems motiviert sein, auf dem die KI implementiert ist. Ein Beispiel wäre ein KI-Design, das speziell die Architektur einer bestimmten CPU berücksichtigt, sodass die Verarbeitung beschleunigt wird.

Im Fall der Verwendung des KI-Systems als Werkzeug zur Generierung eines technischen Zwecks muss es sich um einen „konkreten“ technischen Zweck gehen. Eine allgemeine Zweckdefinition ist nicht ausreichend. So ist z. B. der Zweck einer „Datenkommunikation" zu weit gefasst und zu allgemein. Er muss konkreter ausformuliert sein, wie z. B. „die Verwendung von Künstlicher Intelligenz zur Bestimmung von Keep-Alive-Impulsen, die zwischen einem Server und einem Client übertragen werden“. 


Patente für KI benötigen möglichst eine Beschreibung der Trainingsdaten und des Trainings selbst

Die KI-Funktionen sollten mit dem konkreten technischen Zweck verknüpft sein. Eine solche Verknüpfung der KI-Funktionen mit dem technischen Zweck kann über eine Definition der Eingaben und Ausgaben des KI-Systems implementiert werden. Implementiert wird diese Verknüpfung über die zum Training des KI-Systems verwendeten Daten und das Training selbst. Daher sollten diese Trainingsdaten und das Training selbst nach Möglichkeit ebenfalls klar definiert werden. Dadurch kann zudem die patentrechtliche Ausführbarkeit der beschriebenen Erfindung, eine Grundvoraussetzung für eine Patenterteilung, sichergestellt werden.


Patente für Künstliche Intelligenz und weitere patentfähige Gegenstände

Wird ein KI-System als Werkzeug zum Erreichen eines technischen Zwecks verwendet, können sich daraus noch weitere patentfähige Gegenstände ergeben. 
Unterstützen sie das Erreichen des entsprechenden technischen Zwecks, so können beispielsweise auch die folgenden Gegenstände jeweils eigenständig beansprucht und geschützt werden:

  • ein Erzeugen eines Trainings-Datensatzes zum Trainieren des entsprechenden KI-Systems, 
  • der entsprechende Trainings-Datensatz selbst, 
  • ein Trainieren des entsprechenden KI-Systems und/oder 
  • das entsprechend trainierte KI-System bzw. das im Zuge des Trainierens erzeugte statistische Modell.


Die Bedeutung eines technischen Beitrages bzw. einer technischen Wirkung für die Patentfähigkeit von Erfindungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens wurde von der Beschwerdekammer des europäischen Patentamts in der Entscheidung T 0755/18 betont: Wenn weder der Output eines Computerprogramms für maschinelles Lernen noch die Genauigkeit des Outputs zu einer technischen Wirkung beiträgt, ist eine automatisch erzielte Verbesserung der Maschine durch beaufsichtigtes Lernen zur Erzeugung eines verbesserten Outputs für sich genommen nicht als technische Wirkung anzusehen.

Liegt aber beispielsweise eine Verwendung des KI-Systems als Werkzeug zum Erreichen eines technischen Zwecks vor, etwa eine Verwendung eines neuronalen Netzes zum Identifizieren unregelmäßiger Herzschläge (T 0598/07), so ist ein technischer Beitrag und damit die grundsätzliche Patentfähigkeit zu bejahen.

Im Hinblick auf technisch vorteilhafte Ansätze zum Trainieren/Lernen eines KI-Systems hat die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts beispielsweise entschieden, dass ein Verfahren zur Verbesserung einer Bildklassifikation, in dem ein semantischer Klassifikator mit einem Satz von Beispielfarbbildern trainiert wird, die „neu zusammengesetzte" Versionen eines Beispielbilds darstellen, um die Diversität der Trainingsexemplare zu erhöhen, erfinderisch ist (T 1286/09).


Welche Beispiele für technische Zwecke von Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es?

Als eher technischen Zweck werden bei der Beurteilung der Patentfähigkeit von KI beispielsweise Verfahren zur Bildverarbeitung, etwa zum Zwecke medizinischer oder technischer Analysen betrachtet. Ebenso als eher technisch wird beispielsweise eine Bildverarbeitung zum Zwecke eines Szenenverständnis angesehen. Im Hinblick auf sprachanalytische Anwendungen werden beispielswiese Verfahren zur automatischen Spracherkennung oder virtuelle Assistenten als eher technischer Natur eingestuft. Im Bereich der automatisierten Steuerung werden beispielsweise Anwendungen im Bereich selbstfahrender Fahrzeuge, der Robotik oder Maschinensteuerung als eher technisch vorausgesetzt.

Als an sich eher nicht-technisch werden beispielsweise Verfahren zur natürliche Spracheverarbeitung, wie etwa Chatbots oder automatische Übersetzungen angesehen. Ähnliches gilt im Bereich der Verwaltung, wie etwa in der Terminplanung, allgemeinen Planung, Logistik, oder im Bereich von FinTechs, die wie etwa Anwendungssysteme zu Kreditwürdigkeit, Vermögensverteilung, Aktienvorhersage anbieten.

Aber selbst im Falle solcher an sich eher nicht-technischer Anwendungen, wie etwa Chatbots, kann das zugrundeliegende KI-System, etwa das technische Design des entsprechenden Computersystems, technischer Natur sein und eine Patentfähigkeit der Künstlichen Intelligenz (KI) begründen.


Kann eine Künstliche Intelligenz (KI) Erfinder sein?

Nach bisheriger Rechtsauffassung des Europäischen Patentamts können nur natürliche Personen Erfinder sein. Die Juristische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts hat dies bestätigt (J 0008/20 und J 0009/20). An die Erfindernennung sind eine Reihe von Rechtsfolgen geknüpft, zu deren Wahrnahme der Erfinder eine Rechtspersönlichkeit besitzen muss, die KI-Systeme oder Maschinen nicht haben.

Auch andere Patentämter, wie das Amt für geistiges Eigentum des Vereinigten Königreichs (UKIPO), das US-Patent- und Markenamt (USPTO), das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), das Australische Patentamt (IP Australia), das Amt für geistiges Eigentum von Neuseeland (IPONZ) oder das Koreanische Amt für geistiges Eigentum (KIPO), haben bisher entschieden, dass als Erfinder eine natürliche Person genannt sein muss.


Was ist bei der Anmeldung von KI-basierte Erfindungen zu beachten?

KI-basierte Erfindungen gehören zum Bereich der computerimplementierten Erfindungen. Die Patentierung hat im Vergleich zu anderen Erfindungen die zusätzliche Herausforderung, dass der technische Charakter der Erfindung, d.h., ihr technischer Beitrag zur Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln, klar herausgearbeitet sein muss, damit sie patentfähig werden. 

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Autor: Andreas Bechinger