Künstliche Intelligenz (KI) ist zu einem zentralen Bestandteil moderner technologischer Innovationen geworden und findet Anwendung in Bereichen wie dem Gesundheitswesen, industriellen Kontrollsystemen und dem Verkehrswesen. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI in Industrie und Gesellschaft wird der Schutz geistigen Eigentums für KI-basierte Erfindungen immer wichtiger. Patente fördern nicht nur die Innovation, sondern bieten auch einen Rahmen für den Schutz des technologischen Fortschritts.
Dieser Artikel beleuchtet die unterschiedlichen Ansätze des Europäischen Patentamts (EPA) und des United States Patent and Trademark Office (USPTO) bei der Beurteilung der Patentierbarkeit von KI-Erfindungen. Erfahren Sie, wie Sie diese Rahmenbedingungen effektiv nutzen können, um erfolgreiche Patentanmeldungen für KI-Innovationen zu sichern. Obwohl beide Ämter unterschiedliche Kriterien und Ansätze verwenden, führen ihre Ergebnisse oft zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Durch die Analyse der Methodik beider Ämter und die Darstellung spezifischer Beispiele aus aktuellen Richtlinien bietet dieser Artikel einen umfassenden Überblick darüber, wie der Patentierungsprozess für KI-Erfindungen erfolgreich gestaltet werden kann.
Was sind die Anforderungen des EPA an die Patentierbarkeit von KI?
Die Beurteilung der Patentierbarkeit durch das EPA unterliegt den grundlegenden Anforderungen, die in Artikel 52(1) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) festgelegt sind. Gemäß Artikel 52(1) EPÜ werden „Europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“ Der Verweis auf „alle Gebiete der Technik“ wurde im Zuge der Überarbeitung des EPÜ (EPÜ 2000) eingeführt, um eine Angleichung an Artikel 27 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) zu erreichen. Diese Änderung stellt klar, dass der Patentschutz Erfindungen auf technischem Gebiet vorbehalten ist und dass der beanspruchte Gegenstand einen „technischen Charakter“ haben oder eine „technische Lehre“ beinhalten muss, d. h. eine an einen Fachmann gerichtete Anleitung zur Lösung eines bestimmten technischen Problems unter Verwendung bestimmter technischer Mittel (siehe Zusammenfassung in Rdnr. 24 ff. des G 1/19 der Großen Beschwerdekammer des EPA). Diese Anforderungen stellen eine besondere Hürde für KI-Erfindungen dar, da diese in der Regel als mathematische Modelle, Algorithmen oder Rechenverfahren gelten. Daher müssen KI-basierte Ansprüche über ihre abstrakte Natur hinaus technische und praktische Auswirkungen und Implementierungen nachweisen.
Ein wichtiger Aspekt von KI-Erfindungen ist, dass sie einem bestimmten technischen Zweck dienen sollten. Beispiele hierfür sind konkrete Anwendungen in der medizinischen Diagnostik, in autonomen Fahrzeugen oder in der Optimierung industrieller Prozesse, bei denen das KI-System ein konkretes Problem in einem bestimmten technischen Umfeld löst. Die bloße Erwähnung der Anwendung von KI in einem technischen Bereich reicht jedoch unter Umständen für die Patentierbarkeit nicht aus. Das EPA wendet einen Aufgabe-Lösungsansatz an und prüft, ob der Einsatz von KI in dem betreffenden technischen Bereich naheliegend ist. In der Regel sind zusätzliche Elemente erforderlich, wie z. B. eine erfinderische Implementierung von KI zur Verarbeitung technischer Daten auf dem jeweiligen Gebiet oder eine neuartige Erzeugung von KI-Trainingsdaten. Alternativ dazu können KI-Erfindungen auch ein spezifisches Low-Level Design aufweisen, bei der Details des KI-Modells selbst berücksichtigt werden, z.B. neue Konzeptionen von Neuronen, Schichten, Rückkopplungsmechanismen oder andere architektonische Verbesserungen, die z.B. Hardware-Beschränkungen des Systems, auf dem die KI implementiert ist, berücksichtigen.
"Ausreichende Offenbarung" spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Darstellung, wie eine KI-Erfindung technische Probleme löst. Obwohl es nicht immer notwendig ist, die spezifischen verwendeten Trainingsdaten selbst offen zu legen, sollten die Anmelder die Art der Daten und die Methodik für das Training des KI-Modells beschreiben, um sicherzustellen, dass die Erfindung von einem Fachmann reproduziert werden kann.
Wie wendet das USPTO das Alice/Mayo-Framework auf KI-Erfindungen an?
Das USPTO bewertet die Patentfähigkeit von KI-Erfindungen nach dem zweistufigen Alice/Mayo-Framework. Dieser strukturierte Ansatz gewährleistet eine konsistente Analyse, ob KI-bezogene Ansprüche die Anforderungen für den Patentschutz erfüllen:
- Schritt 1: Feststellung, ob der Anspruch einer Kategorie „statutory category“ wie einem Verfahren, einer Vorrichtung oder einer Herstellung zugeordnet ist.
- Schritt 2A (Aspekt „Prong“ 1): Bewertung, ob der Anspruch eine juristische Ausnahme umfasst. Juristische Ausnahmen „judicial exceptions“ umfassen abstrakte Ideen wie mathematische Konzepte, gedankliche Prozesse oder Methoden zur Organisation menschlicher Aktivitäten. KI-Erfindungen fallen besonders häufig unter diesen Aspekt, da sie auf abstrakten mathematischen Modellen und Algorithmen basieren. Ist dieser Punkt erfüllt, wird die Analyse mit Aspekt 2 fortgesetzt, um festzustellen, ob die Ausnahme in eine praktische Anwendung integriert ist.
- Schritt 2A (Aspekt „Prong“ 2): Bewertung, ob die juristische Ausnahme in eine praktische Anwendung integriert ist. Bei KI-Erfindungen bedeutet dies, nachzuweisen, wie die Erfindung die Funktionalität eines Computers oder eines spezifischen technischen Bereichs verbessert. Ein zentraler Aspekt ist, ob der Anspruch eine bestimmte Lösung für ein Problem in einem spezifischen technischen Umfeld bietet oder eine konkrete Methode zur Erreichung eines gewünschten Ergebnisses beschreibt. Für KI-Erfindungen erinnert dies an die Anforderung des EPA eines spezifischen technischen Zwecks. Daher reicht es nicht aus, lediglich die Anwendung von KI oder einfache Anweisungen zur Implementierung auf einem Computer zu nennen. Ein Anspruch, der lediglich unter eine juristische Ausnahme enthält und es versäumt, sie in eine praktische Anwendung zu integrieren, wird als „auf die Ausnahme gerichtet“ angesehen, was eine weitere Analyse in Schritt 2B auslöst.
- Schritt 2B: In diesem Schritt wird geprüft, ob der Anspruch zusätzliche Elemente enthält, die mehr als die juristische Ausnahme selbst ausmachen und somit eine konkrete Weiterentwicklung über die abstrakte Idee hinaus bieten.
Die Hinweise des USPTO zur Beurteilung der Patentfähigkeit, insbesondere Beispiele 47 und 48, veranschaulichen diese Prinzipien. Beispielsweise:
- Ein Anspruch zur Erkennung bösartiger Netzpakete wird als patentfähig angesehen, da er ein technisches Problem in der Netzwerksicherheit durch KI-Methoden löst.
- Ein Anspruch zur Trennung von Hintergrundgeräuschen von Sprache wird als patentfähig eingestuft, da er zeigt, wie KI die Audiotechnologie verbessert.
KI-Erfindungen, die nicht über abstrakte Ideen hinausgehen und keine spezifischen technischen Implementierungen aufweisen, sind nach dem USPTO-Framework nicht patentierbar. Solche Ansprüche können auch dann als nicht patentierbar eingestuft werden, wenn in Schritt 2B nicht nachgewiesen wird, dass die Anspruchselemente deutlich über allgemeine Implementierungsdetails und -ansätze hinausgehen. Dies können erfinderische Merkmale oder spezifische Verbesserungen sein, die über routinemäßige oder konventionelle Techniken hinausgehen und somit eine wesentliche Weiterentwicklung über die abstrakte Idee hinaus darstellen. Durch die explizite Verknüpfung der Erfindung mit technischen Verbesserungen oder spezifischen Anwendungen können Anmelder die Chancen der Patentierbarkeit ihrer Ansprüche erhöhen.
Wie unterscheiden sich die Ansätze des EPA und des USPTO in Bezug auf KI-Patente?
Obwohl das EPA und das USPTO bei der Beurteilung der Patentierbarkeit von KI-Erfindungen unterschiedliche Ansätze verfolgen, führen ihre Ergebnisse häufig zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Das EPA betont die Notwendigkeit eines spezifischen technischen Zwecks und technischer Wirkungen, während sich das USPTO auf die Integration abstrakter Ideen in praktische Anwendungen konzentriert.
Beispielsweise diskutiert das USPTO in Beispiel 47 (Anomalieerkennung) Ansprüche, die die Verwendung künstlicher neuronaler Netze (ANNs) umfassen. Ein beispielhafter Anspruch erwähnt hier ein ANN zur Erkennung von nicht näher bestimmten Anomalien, ohne eine spezifische technische Umgebung oder eine konkrete Implementierung anzugeben. Ein solcher Anspruch wäre sowohl nach dem Ansatz des USPTO als auch nach dem des EPA nicht patentierbar, da er keinen spezifischen technischen Zweck nachweist oder die abstrakte Idee in eine praktische Anwendung integriert.
Ein weiterer Anspruch in Beispiel 47 beschreibt jedoch ein ANN, das speziell zur Erkennung bösartiger Netzwerkpakete eingesetzt wird und ein technisches Problem der Netzwerksicherheit adressiert. Dieser Anspruch wird von beiden Systemen als dem Patentschutz zugänglich angesehen, was die Kohärenz der Beurteilung der Patentierung trotz unterschiedlicher Auslegungsverfahren verdeutlicht.
Ähnlich verhält es sich in Beispiel 48 (Sprachtrennung), bezüglich welchem ein Anspruch, der eine allgemeine KI-Methode zur Trennung von Sprachsignalen ohne weitere technische Implementierungsdetails beschreibt, nicht patentierbar ist. Dagegen ist ein Anspruch, der spezifisch beschreibt, wie das KI-System Verbesserungen in der Audiotechnologie erzielt, wie z.B. die Verbesserung der Sprach-zu-Text-Transkription oder die Isolierung von Sprachquellen in komplexen Umgebungen, nach beiden Systemen patentierbar.
Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass KI-Erfindungen unabhängig von der Jurisdiktion (EPA/USPTO) über abstrakte Ideen hinausgehen und konkrete technische Entwicklungen oder Anwendungen aufzeigen müssen. Beide Ämter betonen die Bedeutung technischer Konkretisierung und praktischer Integration, um die Patentierbarkeitskriterien zu erfüllen.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse zur Patentierbarkeit von KI beim EPA und USPTO?
Die Patentierbarkeit von KI-basierten Erfindungen wird vom EPA und vom USPTO in unterschiedlichen Systematiken geregelt, aber die zugrunde liegenden Prinzipien und Ergebnisse stimmen oft überein. Beide Ämter verlangen von KI-Erfindungen, dass sie über abstrakte Ideen hinausgehen und konkrete technische Weiterentwicklungen aufweisen. Während das EPA auf einen spezifischen technischen Zweck und eine spezifische technische Wirkung Wert legt, betont das USPTO die Integration von juristischen Ausnahmen in praktische Anwendungen im Rahmen von Alice/Mayo Framework.
Für Erfinder bedeutet dies, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre Patentansprüche konkret auf Probleme in bestimmten technischen Umgebungen eingehen oder Verbesserungen bestehender Technologien aufzeigen. Abstrakte oder generische Ansprüche, wie z. B. die bloße Erwähnung der Verwendung von KI-Modellen, haben in beiden Fällen kaum Aussicht auf Erfolg. Low-Level-Design-Details von KI-Modellen können als Alternative zur Anwendung von KI in bestimmten technologischen Bereichen dienen, da sie auch die Patentfähigkeit begründen können.
Letztendlich unterstreicht der Patentierungsprozess für KI-Erfindungen, wie wichtig es ist, die Kluft zwischen abstrakten Konzepten und technischen Realitäten zu schließen. Durch die Ausrichtung der Ansprüche an den strengen Standards des EPA und des USPTO können Erfinder die Komplexität der Patentierbarkeit beherrschen und ihre Innovationen effektiv schützen.
Wir begleiten Sie
Wenn Sie fachkundige Beratung bei der Ausarbeitung von KI-Patentanmeldungen benötigen, die den Anforderungen des EPA und des USPTO entsprechen, dürfen Sie sich gerne an unsere Spezialisten wenden. Wir helfen Ihnen dabei, Ihre innovativen Ideen in geschützte Assets zu verwandeln.
Sprechen Sie uns an und kontaktieren Sie uns für weitere Informationen unter:
Telefon: +49 (0)611 / 341568-0
Telefax: +49 (0)611 / 341568-11
E-Mail: Email an uns senden
PGP-Schlüssel
Autor: Dr. Michael Schmid